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Fasching: die fünfte Jahreszeit

Verrückt und ausgelassen geht es zu, selbst wenn draußen der Winter die Natur noch hart in seinem frostigen Griff hat. Doch die höher steigende Sonne und die längeren Tage deuten es an: Der Frühling kommt!


Verrückterweise ist es aber nicht die Sonne, die das Datum für den Fasching vorgibt. Wann die Narren ihre fünfte Jahreszeit feiern, wird am Mond festgemacht. Denn Fasching richtet sich nach dem Datum des Osterfestes, und das findet bekanntlich am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach der Tagundnachtgleiche statt. Für Mondkalender-Nutzer lässt sich das etwas einfacher beschreiben: Ostern ist immer am ersten Sonntag nach dem Waage-Vollmond. Rechnet man nun vom Ostersonntag 46 Tage rückwärts, kommt man auf den Aschermittwoch, der folglich immer im letzten bzw. ersten Mondphasenviertel liegen muss.


Faschingsnarren im traditionellen Kostüm
Faschingsnarren im traditionellen Kostüm (Foto: pixabay)

So verrückt wie die Faschingszeit ist auch der Februar. Erstens hat er mal 28, mal (wie dieses Jahr) 29 Tage, bleibt aber dennoch der kürzeste unter den zwölf Monaten. Zweitens ist er eine Zeit der größtmöglichen Gegensätze: Das grelle Sonnenlicht kündet vom nahen Frühling, während laut Wetteraufzeichnungen ausgerechnet jetzt der meiste Schnee fallen sollte. Und gleich nachdem die Fratzen des Faschings ihr lautes, närrisches Unwesen getrieben haben, wird es mit der Fastenzeit ganz still und entbehrungsreich.


Die Römer gaben dem Februar seinen Namen, abgeleitet vom lateinischen Wort „februare“, das soviel wie Reinigungsopfer bedeutet. Bei dem Sühne- und Reinigungsfest im Römischen Reich wurden junge Frauen rituell ausgepeitscht, um sie vor Unfruchtbarkeit zu bewahren. Juno, die wichtigste Göttin bei den Römern, trug den Beinamen Februa. Auch das keltische Vorfrühlingsfest Imbolc war ursprünglich ein Reinigungsfest. Der Name stammt vom altirischen imb-folc, was soviel wie Rundum-Waschung bedeutet. Für die Christen geht mit Maria Lichtmess Anfang Februar die Weihnachtszeit zu Ende. Früher hieß das Fest auch Mariä Reinigung, denn die 40 Tage, die Maria nach der Geburt des Gottes-Sohnes im Wochenbett zubrachte, sind nun vorüber. Überall werden geweihte Kerzen entzündet: ein Symbol für das Licht, das nun mit aller Kraft zurückkehrt. Die Tage werden spürbar länger und wärmer; das Wasser und mit ihm die Nährstoffe kommen allmählich wieder ins Fließen. Im Verborgenen bereitet die Natur alles auf Wachstum vor. Doch zuvor wird alles noch einmal ordentlich durchgewaschen: Schmelzwasser stürzt in Strömen von den Bergen herab, Niederschläge gehen immer öfter von Schnee in Regen über. All das sorgt gern mal für Überschwemmungen.



Tauwetter bei Vollmond (Foto: Steigenberger)
Tauwetter bei Vollmond (Foto: Steigenberger)

Wasser ist das einzige Lebensmittel bei uns vor Ort, das nun in Hülle und Fülle vorhanden ist. Dementsprechend standen zu Imbolg Reinigungszeremonien auf dem Programm. Zudem war es laut Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl auch „eine ausschweifende Fruchtbarkeitsorgie mit viel Spaß, unsinnigem Treiben, Fressen und Saufen“ (Storl in „Die Pflanzen der Kelten“, Knaur 2000). Die Natur wurde mit viel Tohuwabohu aus dem Winterschlaf geweckt. Weil die Menschen wussten, dass der Frühling und mit ihm die frische Nahrung nicht mehr fern war, konnten sie zu diesem Fest getrost alle Vorräte verputzen, die ohnehin zu verderben drohten.


Danach kam das Fasten. Nicht frei gewählt, wie wir das heute hin und wieder zu tun pflegen, sondern zwangsläufig vom Lauf des natürlichen Jahreskreises diktiert. Gejagt wurde jetzt nur noch in Notfällen. Und selbst dann durften nur männliche Tiere geschossen werden, die kein Rudel anzuführen hatten. Die Rehe und Hirschkühe standen unter dem Schutz der Brigid, denn sie trugen das neue Leben in sich. Also: kein Fleisch mehr! Die Früchte und Samen vom Herbst waren inzwischen aufgegessen oder vergammelt. Folglich gab es auch kaum mehr Kohlenhydrate.


Wer schon mal länger als ein paar Tage gefastet hat, kennt es: das Gefühl, das mit Fasteneuphorie umschrieben wird. Der Zustand lässt einen zwar bisweilen körperlich langsamer werden, doch dafür steigt die Feinfühligkeit und die Empfänglichkeit für Träume. Das Sternzeichen Fische, durch das die Sonne während der Fastenzeit wandert, haben die Astrologen mit Qualitäten bedacht, in denen sich genau dieser Fastenzustand widerspiegelt.


Der Rhythmus, dem die Menschen zigtausende von Jahren folgten, hat auch heute noch unseren Körper geprägt. Und wie fast immer bei den natürlichen Rhythmen, passt alles perfekt zusammen: In Zeiten des Nahrungsmangels greift das Recycling-Programm des Körpers, die sogenannte Autophagie, besonders gut. Dabei werden fehlerhafte Proteine oder andere beschädigte Zellstrukturen abgebaut und der Stoffwechsel kann sich nach der schweren, eiweiß- und kohlehydratreichen Winterkost mühelos auf die leichtere, frische Frühlings- und Sommernahrung umstellen. Was sich über den Winter an Abfall im Körper angesammelt hat, wird nun wieder ausgespült. Danach produziert die Natur bald schon wieder die gesunden Frühlingskräuter mit ihren hohen Bitterstoff-Anteilen, die Schlacken lösen und den träge gewordenen Stoffwechsel ankurbeln. Löwenzahn, Giersch, Brennnessel und Bärlauch (um nur die bekanntesten und häufigsten Wildkräuter zum Entschlacken zu nennen) passen gut in einen reduzierten, gesunden Ernährungsplan und eignen sich perfekt für einen Smoothie oder auch als Spinat oder Salat.

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