Mit dem Kathreinstag am 25. November beginnt traditionell die magische Adventszeit. Das heißt, die lauten, fröhlichen Feste mit Musik und Tanz sind nun erstmal vorbei. Denn jetzt, vier Wochen bzw. genau einen Mondphasenzyklus vor Weihnachten, gehen wir hinein in eine Zeit voller Dunkelheit, aber auch voller Rituale. Fast alle diese Rituale drehen sich ums Feuer: die Kerzen am Adventskranz, die Luzlfrau mit ihrer Lichterkrone am 13. Dezember, das Sonnwendfeuer in der Thomasnacht am 21. Dezember und der leuchtende Christbaum als Höhepunkt an Heilig Abend, schließlich die Heiligen Drei Könige mit ihrem leitenden Stern und die Lichtmessfeier am 2. Februar, mit der die Weihnachtszeit zu Ende geht.
Vier Wochen voller Magie
Ich stelle mir vor, wie das früher wohl war, vor vielen hundert oder sogar tausend Jahren, als die Menschen weder Heizung noch Glühbirnen hatten ... Die Sonne sinkt Tag für Tag tiefer, Kälte und Dunkelheit halten die Menschen im eisernen Griff. Vor allem die Schwachen unter ihnen leiden. Kinder, Alte und Kranke drohen zu sterben. Ob die Sonne wohl jemals wiederkehrt? Medizinmänner und -frauen, Zauberkräftige und Druiden halten feierliche Zeremonien ab, in denen sie das Feuer als Symbol der Sonnenkraft beschwören. „Wenn die Sonne uns erhört, wird sie umkehren“, versprechen sie den Leuten. Die Weisen vertrauen auf ihre Beobachtungen; darauf, dass es bisher noch jedes Jahr so passiert ist. An einem gewissen Punkt wird die Sonne umkehren. Wann dieser Wendepunkt erreicht ist, das erkennen sie an monumentalen Kalendern in der Natur. Stonehenge ist so ein Beispiel, Pömmelte bei Halle an der Saale ist ein weiteres. Hier am Rande der Alpen mussten diese Sonnwend-Kalender nicht erst mühsam in die Landschaft gebaut werden. Hier bietet der Horizont von Natur aus markante Zacken und Gipfel, an denen man die Bahnhöhe der Sonne bei ihren Auf- und Untergängen messen kann. Vom Taubenberg aus, dem beliebten Ausflugsziel der Münchner, ist der Wendelstein ein solcher Wendepunkt, hinter dem die Sonne exakt zur Wintersonnwende aufgeht. Ob der wuchtige Felsbrocken deshalb so heißt? Egal, jedenfalls bietet der Taubenberg perfekte Voraussetzungen zum Erleben dieses Naturspektakels.
Der Morgen der Wintersonnwende
Ich stelle mir vor, wie Hunderte von Menschen, zitternd vor Aufregung und Kälte, sich dort zur Wintersonnwende um ein riesiges Feuer versammeln und beten. Kinder quengeln, Nahrung wird geteilt, Geschichten werden erzählt und sonnenkräftige Heilkräuter ausgetauscht. Hin und wieder holt jemand Wassernachschub von der nahen Quelle. Morgen für Morgen blickt die Gruppe voller Spannung zum Sonnenaufgang hinterm Wendelstein. Nach ein paar Tagen haben sie Gewissheit: Die Sonne hat innegehalten, ja sie steigt nun sogar wieder ganz minimal an auf ihrer täglichen Himmelsbahn. Sie hat die Gebete erhört! Die Kelten nannten diese Zeit den Julmond und feierten die Wintersonnwende als Julfest. Unser Weihnachtsfest, zu dem – kleine Planänderung – anstatt der Sonne der Sohn Gotte geboren wurde, findet zwar erst drei Nächte später statt. Das aber könnte schlichtweg daran liegen, dass die Wintersonnwende im römischen Kalender einst auf den 24./25. Dezember fiel und man an diesem Datum schließlich festhielt.
Respekt vor der Kraft des Feuers
Auch wenn der hell erleuchtete Christbaum noch immer feierliches Staunen hervorruft: Wärme, Licht und Feuer sind heutzutage nichts Besonderes mehr im Winter. Überall auf der Welt lodern vom Menschen gemachte Feuer, egal zu welcher Jahreszeit. In Brasilien wird der Regenwald brandgerodet, in Russland brennt das Gas, das man nicht verkaufen kann. Bei uns verbrennt der Müll und in großen Schmelztiegeln glüht das Eisen, bevor es verarbeitet wird. Längst nicht alle Feuer dienen dem Leben, viele zerstören es eher. Der Respekt vor der Kraft der göttlichen Flamme ist heutzutage fast erloschen. Rituale könnten helfen, ihn wieder zu entzünden.
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